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Foto: Elisabeth Gerono

Hypnosystemik: „Ich mach‘ mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt“ – Der Therapeut als radikal konstruktivistischer Entwicklungshelfer

Foto: Elisabeth Gerono

Pippi Langstrumpf hat es schon immer beherzigt: Sie handelt lösungs- sowie ressourcenorientiert, sie ist sozial, offen gegenüber Neuem und gegenwartsbezogen. Die Metabene dahinter könnte wie folgt beschrieben werden: Erleben ist immer konstruiert, und wir können es selbstwirksam so modellieren, dass wir uns sicher, leicht und fließend erleben, quasi im grünen ´“Flow“-Bereich bleiben und damit sogar noch Reserven (Resilienz) für Stressangriffe von außen oder innen haben. Dies ist kein statischer Zustand, sondern muss immer wieder nachjustiert werden. Es gilt sozusagen, stabil instabil zu bleiben. Man sucht permanent nach der inneren Wahrheit, dies jedoch in dem Wissen, dass es keine feststehende innere Wahrheit gibt – ein Hoch auf das unbewusste Stimmigkeitsgefühl, dem es zu trauen gilt.

Keiner hat das meines Erachtens nach in den letzten Jahrzehnten treffender beschrieben als Dr. Gunter Schmidt, der Begründer der Hypnosystemik (www.gunter-schmidt.net / www.systelios.de ). Die meisten der hier niedergeschriebenen Überlegungen gehen auf ihn (aber auch auf meine unmittelbare, mit Staunen beobachtete Wirk-Erfahrung) zurück. Konsequent umgesetzt lösen sich im therapeutischen Kontext Diagnosen auf oder werden nur auf ihre Brauchbarkeit hin genutzt, alles wird utilisiert, also im Sinne des gewünschten Erlebens nutzbar gemacht. An sich gibt es keine Probleme oder Symptome sondern nur Phänomene, deren negative Wirkung auf den Organismus in der Regel durch eine Diskrepanz zwischen Ist- und Sollzustand entstehen, was auch bedeutet, dass wir selbstwirksam nicht nur über den Aufbau einer geschützten inneren Steuerungsinstanz, sondern auch über die Korrektur unserer Zielvorstellungen ein besseres Erleben erzeugen können. Es geht darum, uns aus der Problemtrance (Tunnel) heraus dazu zu befähigen, die reiche Vielfalt unserer Erlebnismöglichkeiten in Richtung von mehr Wachheit, Sinn, Beziehungstiefe und Handlungsfähigkeit abzurufen. Ein hoch positiver Ansatz mit gesellschaftlicher Bedeutung. Der Therapeut wird zum radikal konstruktivistischen Entwicklungshelfer auf Augenhöhe mit den Menschen, die er begleitet.

Wie geht das konkret? Wie kann das Haften an letzten Endes vom eigenen Gehirn konstruierten und als leidvoll erlebten Problemtrancen in ein resilientes inneres Fließen, das sich dynamisch und weitgehend angstfrei an eine sich rasch wandelnde Umwelt anpasst, transformiert werden? Wie können all die ungenutzten neuronalen Netzwerke in optimaler Weise miteinander in Verbindung treten, damit ein kreatives, freudvolles Wachbewusstsein im Sinne des für den Moment best state des Organismus entsteht? Gemäß des Mottos „Eigentlich bin ich ganz anders. Ich komm nur viel zu selten dazu“ werden in das Leiderleben hinein auf Körper-, Metaphern- und Geschichtenebene Unterschiede eingeführt, also spürbare Perspektivwechsel ermöglicht. Es geht um ein starkes gefühlsmäßiges Begreifen auf Stamm- und Mittelhirnbasis zusätzlich zum Infragestellen festgefahrener Kognitionen (Großhirnrinde). Der Hypnoanteil an der Therapie ermöglicht das Loslassen von der kognitiven Abwehr und die Aktivierung aller „Lösungsressourcen“. (Das können z.B. Erinnerungen an Zeiten sein, in denen das gewünschte Erleben vorhanden war.) Das Gefühl der Endlichkeit unseres Seins dient in diesem Prozess als Achtsamkeitsbooster. Auch geht es darum, zu würdigen, dass hinter jedem scheinbar noch so problemhaften Phänomen eine gute Absicht steckt. In der Natur ergibt immer alles irgendwie einen Sinn. (Oft schützt die Depression einfach vor Überforderung oder zeigt ein ungestilltes Bedürfnis an. Und Vieles löst sich, wenn wir den inneren Kampf „aufgeben“, fast von allein.) Vertrauen wir dem Wohlwollen und Gleichgewichtsstreben des Unbewussten, dann geschieht das Gewünschte womöglich ganz unwillkürlich. Nur Mut! Es gibt im Grunde nur zu gewinnen.

In meiner täglichen Praxis erlebe ich, dass es wirkt, und bevor die Frage aufkommt: Nein, die Menschen entwickeln sich nicht zu asozialen Egomanen; im Gegenteil, sind wir „erwacht“, wollen wir ganz automatisch, dass auch andere mit uns dieses schöne Erleben teilen. Dann haben wir Reserven, die wir – das ist immer wieder zu beobachten – zum Wohle aller einsetzen möchten. Der gesunde Mensch strebt nach einer gesunden Umwelt und einem sinnhaften friedlichen Miteinander. Er/sie ist offen, akzeptiert Restriktionen, Ambivalenzen und die Kontextbezogenheit unseres Seins. Kriege entstehen in der Regel dann, wenn zwei „unbefreite“ Problemtunnel miteinander kollidieren.

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